Deutschlands größtes Urban-Gardening-Projekt befindet sich weder in Berlin noch in München, sondern in der Stadt Andernach am Rhein. Dort ziehen sich Obst- und Gemüsebeete entlang der alten Stadtmauer, an Spielplätzen und in Gewerbegebieten. Vor den Toren Andernachs steht obendrein eine rund 12 Hektar große Permakultur, also ein landwirtschaftliches produktives Ökosystem, das dauerhaft funktionierende, nachhaltige und naturnahe Kreisläufe schafft. Das besondere dabei: Die grünen Flächen gehören allen etwa 30.000 Stadtbewohnern. Statt „Betreten verboten“ heißt es „Pflücken erlaubt“.
„Andernach hatte wie viele Städte mit zunehmenden Problemen zu kämpfen: Leerstand, Arbeitslosigkeit und immensen Kosten für die Instandhaltung öffentlicher Grünflächen. Wir mussten etwas ändern“, erinnert sich Heike Boomgaarden. Gemeinsam mit Dr. Lutz Kosack hatte sie die Idee für das Projekt „Essbare Stadt“.
Angeleitet von Gärtnermeistern der Perspektive GmbH legten Langzeitarbeitslose und Freiwillige 2010 die ersten Beete an, bis heute haben sie 101 verschiedene Tomaten-, 60 Bohnen- und 20 Zwiebelsorten sowie Beeren, Küchenkräuter und Blumen angepflanzt. „Jedes Jahr steht eine Nutzpflanze besonders im Fokus“, sagt Boomgaarden.
Die Pflege der Beete leisten ehrenamtliche Bürger, darunter zahlreiche Langzeitarbeitslose, und professionelle Stadtgärtner – auf ökologisch nachhaltiger Basis. In der Stadt stehen Komposthaufen zur Herstellung von Humus, zum Einsatz kommen biologische Pflanzenschutzmittel und Jauchen als Dünger.
Für die Selbstversorgung reicht Andernachs Gemüsereichtum aber bei weitem nicht. „Das ist auch gar nicht das Ziel. Bei uns hat sich die innere Haltung zur Stadt geändert. Das Grün regt zum Verweilen an, man trifft sich, es ist einfach ein anderes Lebensgefühl als vorher“, so Boomgarden.
Nach den Plänen von Boomgarden und Kosack soll Andernach aber noch grüner werden. „Die essbare Stadt ist wie ein gedankliches Haus. Wir haben gerade erst den Keller und das Erdgeschoss gebaut. Jetzt kommt der erste Stock dran.“
Boomgarden will künftig so viele Reststoffe der Stadt wie möglich für die landwirtschaftliche Produktion weiterverwenden. Zugleich will sie Restaurants mit einbeziehen. Sie sollen beim Anbau mithelfen, aus dem Gemüse regionale Gerichte zaubern. „Wir wollen unsere CO2-Bilanz verbessern und den Boden noch näher an unsere Bürger herantragen“, so Boomgaarden. Und die 12 Hektar große Permakultur – die will sie zu Deutschlands größten Lehrgarten umfunktionieren.
Weitere Infos: www.andernach.de/stadt/essbare-stadt/