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Interview mit Henk de Zeeuw (RUAF)

Weltweit wachsen die Städte rasant. Doch gerade in den Megastädten kann sich der arme Teil der städtischen Bevölkerung oft nicht ausreichend mit Nahrung versorgen. Welchen Beitrag urbane Landwirtschaft für die Ernährungssicherung leisten kann und welche Maßnahmen dazu nötig sind, erklärt Henk de Zeeuw von der RUAF Stiftung. Das globale Netzwerk aus gemeinnützigen Organisationen trägt seit 1999 zur Entwicklung von nachhaltigen Strukturen und Konzepten zum Lebensmittelanbau in Städten bei.
 

Kann städtische Lebensmittelproduktion die weltweite Hungerkrise beenden?
Henk de Zeeuw: Die städtische Lebensmittelproduktion allein kann dies nicht bewältigen. Um die Lebensmittelsicherheit in der Welt zu gewährleisten, muss jede Möglichkeit berücksichtigt werden – also sowohl die kleinflächige Lebensmittelproduktion in Kleingärten und Wohngebieten sowie die großflächige Lebensmittelproduktion in Gewächshäusern. Die urbane Nahrungsproduktion kann aber nicht den ausreichenden Anbau von Grundnahrungsmitteln wie Reis und Getreide leisten.
 

Welches Potenzial hat die Agrarwirtschaft in und um Städte im Einzelnen?
Henk de Zeeuw: Die meisten Städte in Entwicklungs- und Schwellenländern haben große Schwierigkeiten, mit der rapide zunehmenden Urbanisation zurechtzukommen und die ärmeren Schichten der städtischen Bevölkerung ausreichend zu versorgen. Städtische Armut geht oft einher mit unzureichender Lebensmittelversorgung und Mangelernährung. Urbane Landwirtschaft leistet hier einen Beitrag zum Einkommen und verbessert ihre Versorgung mit gesunden Nahrungsmitteln. Die städtische Land- und Forstwirtschaft ist eine essentielle Komponente der nachhaltigen Stadtentwicklung.
 

Welchen Beitrag leistet die RUAF Stiftung?
Henk de Zeeuw: Die RUAF Stiftung liefert lokalen Regierungen und diversen lokalen Interessengruppen eine Vorlage, wie man Lebensmittelversorgungssysteme in der Stadtregion analysieren kann. Hierbei werden städtische Lebensmittelproduktion, Raumentwicklungspläne und entsprechende Programme miteinander verknüpft und der internationale Austausch im Bereich der Datenrecherche gefördert. Außerdem werden Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen und anderen lokalen Organisationen ausgebildet, um lokale Bauern sowie kleine und mittelständische Unternehmen dabei zu unterstützen, kurze Lieferketten für Lebensmittel zu schaffen. Ziel ist es, die städtischen Landwirte beim Wechsel zur ökologischen und wassereffizienten Lebensmittelproduktion, bei der Weiterverarbeitungs- und Verpackungsproduktion oder beim Produktmarketing zu unterstützen.
 

In welchen Städten sind Sie aktiv tätig?
Henk de Zeeuw: Die RUAF Stiftung gibt es in mehr als 20 Entwicklungsländern und seit Kurzem auch in einigen europäischen Ländern.

Ein Beispiel für die Arbeit von RUAF ist ein Projekt in Monrovia und in zwei weiteren Städten Liberias. Dort stellen wir die Kooperation zwischen lokalen Behörden, internationalen (WHH, CARE, ACF) und lokalen Nichtregierungsorganisationen, Universitäten und Bauernverbänden her. RUAF hat Vertreter aus Politik und Maßnahmenplanung, Geldgeber und diverse lokale Interessengruppen zusammengebracht. Diese Projekte haben geholfen, die Lebensmittelproduktion in der Stadt und rund um die Stadt herum zu erhöhen, das Einkommen der Bauern zu steigern und zur Nahrungsmittelversorgung der städtischen Konsumenten beizutragen. Der Gebrauch von kompostiertem organischem Abfall im Gegensatz zu chemischen Düngemitteln hat zur Verbesserung der städtischen Umwelt beigetragen.
 

Weltweit wird in Städten – und besonders in den stetig wachsenden Megacities in Entwicklungsländern – in rasanter Geschwindigkeit immer mehr Boden versiegelt. Der Platz für städtische Landwirtschaft wird somit zunehmend knapp.

Henk de Zeeuw: In der Stadt kann mehr Boden nutzbar gemacht werden, als die Menschen oft glauben. Bepflanzte Gartendächer, Gewächshäuser, die Zucht von Pilzen in Kellern und instandgesetzte verfallene Plätze und Parks – das alles kann unter Einsatz von herangeschafftem fruchtbaren Boden zur Lebensmittelversorgung in der Stadt beitragen.

Darüber hinaus erkennen Stadtplaner und lokale Behörden zunehmend, wie wichtig die Landwirtschaft als Teil urbaner Infrastruktur ist, um auch den ökologischen Fußabdruck von Städten zu reduzieren. Die städtische Land- und Forstwirtschaft spielen eine immer wichtigere Rolle bei der Entwicklung einer nachhaltigen und lebenswerten Stadt. Dementsprechend werden fruchtbare Grünflächen in Stadtentwicklungspläne integriert.